Kämpfen im Rhythmus der Musik

Kämpfen im Rhythmus der Musik

Als das Training vorbei ist, stellt sich ein Kind nach dem anderen vor Alois Willing auf. Zuerst führen sie die rechten Füße aneinander, dann die linken. Mit Schwung streckt Willing sein Bein in die Luft und lässt es über die Köpfe der Kinder gleiten. Wenn jeder einmal dran war, dürfen alle nach Hause gehen. „Wir verabschieden uns immer so“, erklärt Willing, der den Kindern an der Königsbacher Johannes-Schoch-Schule seit wenigen Monaten einen Sport beibringt, der ursprünglich aus Brasilien kommt und in Deutschland noch weitgehend unbekannt ist: Capoeira. Jeden Montagnachmittag wird eine Schulstunde lang trainiert, bei gutem Wetter im Freien. Zuerst kommen 16 Zweitklässler, dann acht Viertklässler. Willing beginnt mit einem Spiel zum Aufwärmen, dann üben die Kinder bereits erlernte Bewegungen und bekommen neue gezeigt. Am Ende steht etwas, das sich „Roda“ nennt: Die Kinder setzen sich im Kreis auf den Boden, singen und klatschen. Währenddessen treten immer zwei von ihnen in der Mitte gegeneinander an und zeigen beim Kampf alles, was sie schon können.

Wobei man „Kampf“ beim Capoeira eigentlich nicht sagt. Das Ganze heißt „Spiel“, weil es nicht darum geht, den anderen zu verletzen. „Man versucht, den anderen zu treffen, hat es aber eigentlich gar nicht vor“, sagt Willing. Deshalb läuft das Training bei ihm größtenteils kontaktlos. Gerade bei den Zweitklässlern versucht er, so viel wie möglich spielerisch zu arbeiten. Capoeira sei ein Sport, der Kampf, Tanz, Musik und Akrobatik miteinander verbinde. „Wir machen immer eine Mischung“, sagt Willing: „Capoeira ist so vielseitig, dass für jeden etwas dabei ist.“ Die Kinder trainieren nicht nur Körperkraft und Koordination, sondern auch das Selbstbewusstsein und den Respekt vor ihren Mitmenschen. Ihre Bewegungen wirken leicht und flüssig, sind aber ganz schön anstrengend. Der Grundschritt heißt „Ginga“ und bedeutet so viel wie „bewegen“, die Tritte werden unter anderem „Queixada“, „Martelo“ und „Meia-Lua de Compasso“ genannt. Der Bewegungsablauf muss zur Musik passen, die ein wichtiger Bestandteil von Capoeira ist. Deswegen wird in Königsbach immer gesungen und geklatscht. Zum Einsatz kommt auch ein Instrument, das Berimbau heißt. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Bogen mit einer Saite, die straff gespannt und gezupft wird. Ein ausgehöhlter Flaschenkürbis (Cabaça) dient als Resonanzkörper, mit einem Stein kann man die Saite verkürzen und so die Tonhöhe variieren.

Willing betreibt Capoeira seit neun Jahren und kam dazu, weil er als Triathlet eine Möglichkeit suchte, das Körperstabilitätstraining nicht mehr allein absolvieren zu müssen. Er entdeckte Capoeira und fand sofort Gefallen daran – auch wegen der Musik und, weil es eine starke Gemeinschaft gibt: Alle Trainer aus der Region kennen sich. Dass er an der Königsbacher Johannes-Schoch-Schule die Capoeira-AG anbietet, liegt daran, dass er in dem Ort wohnt und an der Schule seit drei Jahren die Bläserklassen leitet, die dort zusammen mit dem Königsbacher Musikverein „Harmonie“ angeboten werden. Im Hauptberuf ist Willing nämlich Musikschullehrer in Schwetzingen. Im Winter sind wegen der Corona-Beschränkungen an der Königsbacher Johannes-Schoch-Schule viele Capoeira-Übungsstunden ausgefallen. Seit zwei Monaten läuft aber wieder alles halbwegs normal – sehr zur Freude der Kinder. Willing sagt: „Man hat gemerkt, dass die Schüler richtig ausgehungert waren nach sportlichen Angeboten.“ Auch Rektorin Manuela Frank freut sich, dass nach vielen Monaten der coronabedingten Beschränkungen nun wieder mehr möglich ist. Insgesamt gibt es an der Königsbacher Johannes-Schoch-Schule mehr als zehn Arbeitsgemeinschaften – und das bei nur rund 190 Schülern. „Wir haben Glück, durch das Jugendbegleiter-Programm und durch engagierte Kollegen so viele AGs anbieten zu können.“– Nico Roller